Flug in die Antarktis
Wer die Antarktis erreichen will, muss sich den Zutritt zum eisigsten, entlegensten und unwirtlichsten Kontinent auf der Erde für gewöhnlich hart verdienen. Seit einem Jahr rückt eine neue Flugverbindung das ewige Eis im Süden näher.
Nicht nur finanziell schlägt eine solche Tour kräftig zu Buche, sowohl bei Touristen auf Kreuzfahrt als auch bei Forschern auf dem Weg zu ihren Stationen. Auch Nervenstärke und Zähigkeit sind gefragt, denn der Seeweg zum sechsten Kontinent zählt zu den unangenehmsten und am häufigsten sturmgepeitschten Routen auf den Weltmeeren.
Auch die wenigen Flüge waren bisher kein Vergnügen, bis zu acht Stunden lang mussten die Wissenschaftler in überheizten, fensterlosen Militärmaschinen auf unbequemen Tuchsitzen hocken - wenn denn wegen des extrem launischen Wetters überhaupt geflogen werden konnte.
Doch seit dem Südsommer 2007 brachte die australische Regierung endlich Abhilfe: Nach vier Jahren Arbeit ist eine sogenannte White Ice Runway, eine schneebedeckte Start- und Landebahn mit hartem Gletschereis als Untergrund, fertig gestellt worden. Nun kann erstmals überhaupt ein Verkehrsflugzeug ohne spezielle Ausstattung, sondern auf seinem normalen Fahrwerk in der Antarktis landen.
Bisher praktizierten dies nur die Amerikaner in der Nähe ihrer Forschungsstation am McMurdo, doch auf deren Pegasus Runway landeten lediglich Militärtransporter.
Die Australier dagegen werden einen handelsüblichen Airbus A319 ACJ einsetzen, eine Geschäftsreiseversion des Verkehrsflugzeugs A319, das in dieser Ausstattung gewöhnlich bis zu 40 VIP-Passagiere fasst.
«Eine Flugverbindung von Tasmanien zur Casey-Forschungsstation in weniger als fünf Stunden war ein lange gehegter Traum der Forscher und des Stationspersonals, von denen es sich viele im kurzen antarktischen Sommer nicht leisten können Wochen auf See zu verbringen», so der zuständige australische Umweltminister Ian Campbell
«Die Luftverbindung ist ein wesentlich effizienterer Weg, Leute in und aus der Antarktis zu bringen», so Campbell. Die australische Forschungsstation Casey liegt an der Küste von Wilkes Land im Westen des antarktischen Kontinents, 3430 Kilometer von Hobart entfernt, von wo aus die Flüge starten.
Als Standort für die mit 4000 Meter Länge und 100 Meter Breite Start- und Landebahn wurde das 70 Kilometer von der Station entfernt Plateau des Upper-Peterson-Gletschers ausgewählt, weil sowohl das hier vorhandene harte, blaue Gletschereis als Untergrund besser geeignet ist und die herrschenden niedrigeren Temperaturen günstigere Bedingungen schaffen.
Denn genutzt werden soll die Bahn vor allem im antarktischen Sommer, wenn auf der Station Hochbetrieb herrscht. Dann jedoch sorgt das oft rund um die Uhr vorhandene Sonnenlicht selbst bei Temperaturen von unter null Grad dafür, dass das Gletschereis stellenweise schmilzt und damit für die Oberfläche einer Landebahn unbrauchbar wird.
Die Vorarbeiten für das rund 30 Millionen Euro teure Projekt, Interkontinentalflüge mit Verkehrsflugzeugen in die Antarktis zu ermöglichen, starteten bereits Ende 2002, der Endausbau begann im Dezember 2005 und dauerte bis in den antarktischen Sommer 2007 hinein.
Im Anschluss an jede Flugbewegung sind sieben bis zehn Tage Arbeit notwendig, um die Bahn für die nächste Landung herzurichten. 10 bis 20 Flüge sind so maximal pro Saison möglich.
Üblicherweise wird jeder Flug rund 20 Passagiere plus Fracht befördern, die nach der Landung mit zwei CASA 212-Turboprops sowie Squirrel-Hubschraubern im Forschungsgebiet verteilt werden und so an ihr endgültiges Ziel gelangen.
Die A319ACJ mit ihrer grossen Reichweite und Treibstoffkapazität bietet den Vorteil, dass sie bei dem häufig plötzlich aufkommenden schlechten Wetter risikolos umdrehen und nach Tasmanien zurückfliegen kann. Ausserdem muss die Maschine nach einer Landung in der Antarktis nicht für den Rückflug betankt werden, was die Logistik deutlich erleichtert.
Und das ganze spart auch Geld - auf seinen drei jeweils 20-tägigen Reisen ins ewige Eis verbrauchte das Versorgungsschiff «Aurora Australia» bisher pro Saison 2,26 Millionen Liter Treibstoff. Die A319ACJ dagegen benötigt pro Hin- und Rückflug gerade mal 24.000 Liter Kerosin und damit selbst bei 20 Flügen pro Saison erheblich weniger.